US-Kampfflugzeuge stürzen auf Maxdorf

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Am 18. Dezember 1989 steigen vom US Air Field Hahn im Hunsrück zwei US-Kampfjets vom Typ F-16 zu Tiefflugübungen über der Vorderpfalz auf. Zusammen mit einer F-15 aus Bitburg simulieren sie eine Verfolgungsjagd. Nahe Frankenthal stoßen die beiden F-16 kurz nach 16 Uhr in der Luft zusammen und werden beide so schwer beschädigt, dass sie noch in der Luft auseinander brechen und die Trümmer im großen Umkreis auf die Erde stürzen.

Der 29-jährige Oberleutnant Steve Sundstrom, dessen Fallschirm sich nach dem Notausstieg aus seiner Maschine laut Augenzeugen nicht öffnet, stirbt im Acker neben dem Pflanzgarten der Firma Böhler und Schöner an der Straße nach Oggersheim. Der zweite Pilot landet leicht verletzt mit seinem Fallschirm in der Nähe des Silbersees, von wo er mit einem Hubschrauber in eine Heidelberger Klinik gebracht wird.

Es gibt zum Glück keine Verletzten unter den Bewohnern der Orte in der Unglückszone.

Ein großer Teil der Trümmer geht über dem nordöstlichen Maxdorf nieder. Eine abgerissene Tragfläche stürzt in den Maxdorfer Großmarkt, wo zu dieser Zeit noch rund 10 Personen arbeiten, und setzt dort die Kühlanlage in Brand. Danach explodiert auf dem Marktgelände die mitgeführte Übungsmunition des einen Flugzeugs.

Ein Triebwerk gräbt sich in das Treibhaus von Max Sattel in der Haardtstraße. Ein leerer Schleudersitz geht im Gewerbegebiet auf dem Geländer der Firma Thieme nieder. Ein dreieinhalb Kilo schweres Wrackteil von einem Fahrwerk schlägt auf dem Maxdorfer Friedhof auf. Ein Triebwerkteil schießt in ein unbebautes Grundstück an der Ecke Kurpfalzstraße/Speyerer Straße und reißt dabei die Straßenlaterne um. Weitere Wrackteile kommen östlich von Fußgönheim nahe der A 61 herab; die Landstraße nach Ruchheim wird später deswegen vollständig gesperrt.

 

Die Abbildung zeigt die Stellen im Ortsgebiet der Verbandsgemeinde mit schwerwiegenden Trümmereinschlägen. Roter Punkt: Der besonders stark betroffene Maxdorfer Gemüsegroßmarkt. (Karte erstellt auf der Grundlage von OpenStreetMap unter der Lizenz CC BY-SA)

Ein gesundheitliches Risiko geht für die Anwohner von dem austretenden Treibstoff Hydrazin aus. Außerdem sickert Kerosin in den Boden. Aus Schifferstadt wird der Sondergefahrenzug des Landkreises angefordert. Wo Hydrazin und Kerosin ausgetreten sind, wird das Erdreich ausgehoben.

Amerikanische Militärpolizei sperrt das Absturzgebiet mit Nachdruck ab. Die Feuerwehren aus Maxdorf und Umgebung sind im Einsatz. Außerdem Rotes Kreuz und Bundeswehr. Ein Großteil der Marktfläche wird vorübergehend zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Die militärische Sperrzone am Großmarkt wird erst vier Tage später wieder aufgehoben.

Auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten der Grünen, Prof. Dr. Rotter, erklärt Innenminister Rudi Gail, dass sich die Unglücksmaschinen bei der Kollision in 4500 Metern Höhe befunden hatten. Außerdem teilt der Minister mit, dass jede Maschinen mit 510 Schuß Übungsmunition und einer Übungsrakete ausgestattet war.

Über die Unfallursache gehen die Meinungen auseinander. Ein Zeuge will vom überlebenden Piloten erfahren haben, dass seine Maschine vom zweiten Flieger gestreift wurde, worauf beide abstürzten. Der Spiegel spricht in seiner Ausgabe vom 25. Dezember 1989 von einem Pilotenfehler als Ursache des Unglücks. Beide Berichte werden von den zuständigen Stellen dementiert.

An den Tagen nach dem Unglück ist die Stimmung in der Bevölkerung der Region aufgeheizt. Als wenige Tage nach dem Absturz bei Maxdorf ein US-Militärhubschrauber bei Großniedesheim notlanden musste, sind Maxdorfer Polizeibeamte erforderlich, um die Besatzung vor den aufgebrachten Bürgern zu schützen.

Am 22. Dezember wendet sich das BASF-Vorstandmitglied Dr. Dibbern in einem Brief an Verteidigungsminister Stoltenberg und kritisierte darin unter Anderem einen aktuellen Vorschlag des Staatssekretärs Wimmer, die BASF könne sich durch Härtung von Anlagen gegen die Folgen solcher Flugzeug-Abstürze schützen.

Die Bevölkerung Maxdorfs und der Umgebung trifft sich in den folgenden Tagen zu Schweigemärschen und Mahnwachen am Großmarkt im Heideweg. Monatlich sollen diese Treffen stattfinden bis zur Bundestagswahl im Dezember 1990, als Appell an die Politiker. An der Mauer des Großmarktes kleben Protestplakate gegen Tiefflüge. Der Speyerer Bischof Schlembach verfasst einen offenen Brief an die Bürger Maxdorfs und äußert darin Zweifel an der Notwendigkeit riskanter Übungsflüge. Verbandsbürgermeister Leyser schreibt an Bundeskanzler Helmut Kohl, Übungsflüge der Bundeswehr über Wohngebieten umgehend zu stoppen und entsprechend auf die Allierten einzuwirken. Alle politischen und konfessionellen Gruppen beteiligen sich am Protest.

Am 31. Dezember 1989 findet in der katholischen Pfarrkirche St. Maximilian der Jahresschlussgottesdienst als ein Dank- und Gedenkgottesdienst für den glimpflichen Ausgang des Flugunfalls statt.

Als Reaktion auf das Unglück in Maxdorf verzichtet die 17. US-Luftflotte in Sembach auf Dauer auf einem über 1500 Quadratkilometer großen Gebiet der Kurpfalz auf taktische Tiefflugübungen unter 450 Metern Flughöhe. In diesem Gebiet liegt das Ballungszentrum Mannheim/Ludwigshafen und die Verbandsgemeinde Maxdorf.

Am 18. Januar 1990 kritisiert Prof. Dr. Rotter in der aktuellen Stunde des Landtages heftig die zögerliche Umsetzung einer bereits im Juli 1988 getroffenen Resolution gegen Tiefflüge. Er fordert die generelle Einstellung militärischer Übungsflüge. Es kommt zu einer kontroversen Debatte zwischen Vertretern der im Landtag vertretenen Parteien. Im Grunde besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die gewandelten politischen Verhältnisse in Europa Raum lassen für eine Verringerung militärischer Übungen.

Anfang Mai fragt der FDP-Abgeordnete Eymael Staatsminister Gail nach dem Stand der Entschädigungszahlungen durch das Bundesamt für Verteidigungslasten in Koblenz. 40 der 85 Anträge auf Entschädigung sind laut Gail bis dato bereits bearbeitet. Bei den meisten offenen Fällen fehlten jedoch noch Belege der Antragsteller oder die erforderlichen Sachverständigen-Gutachten.

Die Proteste der Bevölkerung der gesamten Region gegen Tiefflüge und Fluglärm treten jetzt in eine neue Phase. Die Verbandsgemeinde Maxdorf klagt vor dem Verwaltungsgericht Neustadt gegen Tiefflüge und Luftkampfübungen über Wohngebieten. Und die folgenden Jahre sind geprägt von dauerhaftem Widerstand gegen militärische Flugmanöver über der Region.

Am 18. Dezember 1992, also auf den Tag genau drei Jahre nach dem schweren Unglück, wird an der Ecke Heideweg/Kurpfalzstraße gegenüber dem Maxdorfer Großmarkt ein Mahnmal eingeweiht. Es stammt von dem Künstler Burkhard Hauck und symbolisiert, wie Flugzeug-Trümmer auf die Maxdorfer Häuser herabstürzen.

Der Mundartdichter Albert H. Keil kommt angesichts des Glückes, dass die Bewohner der Vorderpfalz inmitten dieses Unglücks hatten, zu dem Schluss:

„Märr … glaabt, de Herrgott deet halt als
Besunnerscht achde off soi Palz“

(Aus dem Gedicht „Fluuchiewung“ von Albert H. Keil. Veröffentlicht in „Hunde vor de Herze“, Verlag PfalzMundArt, Dirmstein, 1997.)

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