Vom Gänsestopfen in Maxdorf

von Ferdinand Fiedler

Vor gut 100 Jahren war der Gemüseanbau in Maxdorf erst in den Anfängen und hatte noch keine wirtschaftliche Bedeutung. Zumindest brachte er noch nicht so viel ein, dass man das ganze Jahr davon leben konnte. Also musste man sehen, wie sich auch für die Wintermonate eine Einnahmequelle schaffen lies.

Daher verlegte man sich in Maxdorf auf das Mästen von Gänsen, auch “Gäns stobbe” genannt. In fast allen Familien wurde dies von Mitte September bis März gewerbsmäßig betrieben. Hierbei mussten auch die Kinder ab dem 10. Lebensjahr mithelfen. Das bedeutete morgens früh aufstehen und füttern, danach oft sehr müde in die Schule kommen und am Abend erneut bei der Mast helfen.

Die hierfür benötigten Gänse, ca. 50.000 Tiere pro Jahr, kamen aus Westpreußen, Polen, Österreich und Rumänien. Das benötigte Futter, immerhin 10.000 Zentner Mais, kam aus Amerika.

Große Verdienste hatte der Oberlehrer Johannes Zipelius, war er es doch, der die Abschlüsse für die Importgeschäfte mit Gänsen und Mais über große Handelsfirmen im In- und Ausland vorbereitete und auch abschloss.

Die jungen Gänse wurden mit den Bahn nach Lambsheim transportiert. Die Empfänger der Tiere holten sie dort ab und zu Fuß ging es nach Maxdorf. Schwache Tiere mussten manchmal auch getragen werden, was sehr mühsam und beschwerlich gewesen sein durfte. Bei den Besitzern in Maxdorf angekommen, wurden sie mit Gelbrüben und Hafer angefüttert und danach mehrere Wochen mit Mais “gestopft” (gemästet). Durch das Mästen und Einsperren, damit sie sich ja nicht zu viel bewegen konnten, nahmen die Tiere rasch an Gewicht zu.

Das “Stopfen” der Gänse wurde auf dem Boden sitzend ausgeübt. Die Gänse wurden unter die Beine geklemmt, mit beiden Händen der Schnabel geöffnet und dann eine handvoll “Welschkorn“ (Mais) mit einem Finger schnell bis hinter die Luftröhre gestopft. So musste die Gans wohl oder übel schlucken. Das Futter kam so in den Kropf, bis dieser prall gefüllt war. Zum Schluss wurde der Hals mit einem Bindfaden abgebunden, damit die Gans das eingestopfte Futter nicht wieder herausschleudern konnte. Mit 12 – 14 Pfund war ein Tier dann schlachtreif.

Das Bild von Otto Reis zeigt eine Familie beim “Gäns stobbe”

Zum Schlachten kam dann der “Schächter”. Da fast alle Tiere von Juden gekauft wurden, mussten sie “geschächtet” (geschlachtet) werden, damit sie “koscher” (rein) waren. Nur wenn sie auf diese Art geschlachtet worden waren, duften sie von den Juden auch gegessen werden. Nach dem Schlachten wurden die Gänse dann “gerupft”, (alle Federn wurden entfernt), mit Spiritus gesengt, in Sodabrühe gewaschen und zum Trocknen und Auskühlen aufgehängt. Der Schächter hatte Zettel, Stempel und Siegellack dabei. Mittels Wollfaden, welcher durch die Kopfhaut der toten Tiere gezogen wurde, befestigte er einen Zettel auf welchem in hebräischer Schrift Tag und Stunde des Todes stand. Erst jetzt galten die geschlachteten Gänse als “koscher”.

Zum Verkauf kamen die Gänse dann fast ausnahmslos zu Geflügelhändlern und auf den Wochenmarkt nach Mannheim. Da es damals noch keine direkte Bahnverbindung ab Maxdorf gab, musste so mancher Verkäufer mit den geschlachteten Gänsen im Gepäck zu Fuß nach Oggersheim zum Bahnhof laufen. Von dort ging es mit dem Zug nach Ludwigshafen und mit der Pferde-Tram nach Mannheim auf den Wochenmarkt.

Als besondere Delikatesse und deshalb auch teuer galt die Gänseleber.

Ein jähes Ende fand die Gänsemast, als diese, auf Betreiben der Tierschutzbewegungen wegen Tierquälerei, im Jahre1936 durch die Reichsregierung eingestellt werden musste.

Johannes Hahn beschrieb die Gänsemast in seiner “Ortsgeschichte von Maxdorf” aus dem Jahre 1960
noch detaillierter

 

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